Ein stattlicher Fliegenpilz stand an seinem herrlichen sonnigen Platz unter
der ältesten Tanne im Blumenwald. Eine Frage beschäftigte ihn schon lange.
Könnte es sein, dass er der Fliegenpilzkönig des Waldes war. Er wusste, dass
ein Fliegenpilz, der mehr als fünfzig weiße Punkte auf seinem Schirm besaß, als
König aller Pilze im ganzen Wald galt. Und er glaubte fest daran, dass er
dieser mächtige Pilz war. Doch es gab ein Problem. Er wusste nicht genau, wie
viele Punkte sich tatsächlich auf seinem großen roten Schirm befanden, denn er
selbst konnte sie nicht sehen, um sie zu zählen.
Darum fragte er ein Eichhörnchen, dass gerade an der Tanne hochklettern
wollte:
„He, hallo, du Eichhorn. Komm doch mal her“
„Was ist denn?“
„Du kannst doch bestimmt gut zählen“
„Klar kann ich das. Ich muss doch immer genau wissen, wie viele Nüsse ich
gegessen habe“
„Na prima, dann pass mal auf. Du musst mir einen Gefallen tun. Zähl doch
gerade mal meine Punkte!“
„Nichts leichter als das…1, 2, 3, 4, …“
Und das Eichhörnchen begann eifrig die vielen Punkte zu zählen. Doch es
dauerte nicht lange, da sprach es:
„Verflixt, jetzt hab ich mich verzählt. Noch mal…1, 2, 3, 4, …“
Doch auch bei diesem Versuch musste das Eichhörnchen mittendrin abbrechen.
„Nein, nein, nein. Das gibt es doch nicht. Ich probier es noch mal…1, 2, 3,
4, …“
Nach kurzer Zeit stoppte das Eichhörnchen erneut und musste sich und dem
Fliegenpilz eingestehen:
„Du Fliegenpilz, ich schaffe es nicht. Ich kann mir einfach nicht merken,
welche der vielen Punkte ich bereits gezählt habe und welche nicht. Es ist zum
Verzweifeln.“
Der Pilz war etwas traurig, dass der Versuch nicht geklappt hatte. Doch er
dachte sich, dann muss halt jemand anderes die Punkte zählen.
Und er fragte den schlauen Fuchs, der des Weges kam. Doch auch er schaffte es nicht.
Dann bat er den schnellen Buntspecht um seine Hilfe, als dieser gerade begann, in die Tanne zu picken. Und auch er konnte
die vielen Punkte nicht auseinander halten.
Selbst der große stattliche Hirsch musste das anscheinend hoffnungslose Unterfangen,
die Punkte zu zählen, ernüchtert abbrechen.
Der Fliegenpilz wollte schon beinahe aufgeben, da bemerkte er nicht weit
von sich entfernt eine Ameisenstraße. Aus heiterem Himmel erkannte er, wie sich
das Problem lösen ließe.
„Hallo, Ameisen, habt ihr mal kurz Zeit für mich“
„Muss das sein…du siehst doch, dass wir beschäftigt sind.“
„Bitte, es dauert auch nicht lange“
„Na gut, was sollen wir denn machen?“
„Passt mal gut auf. Klettert bitte auf meinen Schirm und dann sucht sich
jeder von euch genau einen meiner schönen weißen Punkte aus und stellt sich in
ihn hinein. Aber immer nur genau einer von euch in einen Punkt. Schafft ihr
das?“
Und sie schafften es. Nach kurzer Zeit und einem riesigen Gewimmel auf dem
Schirm des Fliegenpilzes war es soweit. Alle Ameisen, die keinen Platz in
einem weißen Punkt bekommen hatten, wurden vom Fliegenpilz wieder
hinuntergeschickt.
„So, klasse. Und jetzt bitte alle noch verbliebenen Krabbler wieder von mir runter und in einer Reihe
aufstellen.“
„Jawohl“ antworteten die Ameisen im Chor und taten, wie ihnen gesagt worden
ist.
Jetzt folgte das Kommando des Fliegenpilzes, auf das er sehnsüchtig
gewartet hatte:
„Bitte einmal durchzählen“
Und die Ameisen begannen zu zählen.
„1“ sagte die Erste.
„2“
„3“
Und sie zählten und zählten und zählten.
„49“
„50“
„51“
„52“
„53. So, das war’s. Ich bin der Letzte “
Der Fliegenpilz war überglücklich:
„Hurra, spitze, vielen Dank Jungs und Mädels. Jetzt weiß ich endlich, wie viele Punkte
ich habe. 53. Und das heißt auch, ich weiß jetzt, wer ich bin. Der
Fliegenpilzkönig. “.
© 2005 Christoph Schulz